Verhandeln statt vernichten: Was Europas Geschichte lehrt
1648: Friede am Verhandlungstisch
Im Dreißigjährigen Krieg trugen Kaiser, Fürsten und Reichsstädte sowie Frankreich, Schweden und Spanien ihre religiösen und politischen Konflikte in Deutschland aus. Im Westfälischen Frieden formierte sich Europa 1648 neu. Diplomaten aller kriegführenden Parteien setzten sich in Münster und Osnabrück an die Verhandlungstische. Sie erzielten eine Gleichberechtigung der verfeindeten Konfessionen; Gebietsabtretungen wurden festgelegt, mit denen sich alle mehr oder weniger zähneknirschend einverstanden erklären konnten. Entscheidend für die weitere Geschichte Europas war die Anerkennung von Territorien als souveräne Staaten: Mit ihren Unterschriften erkannten die Verhandlungspartner die Existenz verbindlicher Grenzen an. Bis dahin hatten Monarchen nach mittelalterlichem Verständnis gehandelt: Ein Herrschaftsgebiet reichte so weit, wie ein Machthabers über Menschen befehlen konnte. Nun hatte sich jeder Souverän auf sein Gebiet zu beschränken.
1713 und 1815: Versöhnung mit dem Feind
Lange währte der Friede nicht. Frankreichs König Ludwig XIV. wollte den Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1713/14) für sich entscheiden. Die Friedensschlüsse von Utecht (1713) und Baden (1714) erwiesen sich erneut als Sieg der Diplomatie. Der Krieg endete am Verhandlungstisch, wo zahlreiche Territorien hin- und hergeschoben wurden, um das Mächtegleichgewicht in Europa auszutarieren. Die bilateralen Verträge banden auch die absolutistischen Herrscher. Ihnen bereitete die Französische Revolution 1789 ein brutales Ende. Ein junger korsischer Offizier trat an, um die Revolution zu vollenden – und überzog Europa mit blutigen Kriegen. Nach dem Sieg über Napoleon traf sich die siegreiche Allianz – Preußen, Österreich, Russland, England – mit den Vertretern Frankreichs, um Europa erneut zu ordnen. Was 1814/15 auf dem Wiener Kongress verhandelt wurde, war ein Versöhnungsfrieden mit Frankreich. Es galt, das europäische Gleichgewicht der Mächte wiederherzustellen.
1871 und 1918: Demütigungen
Nach 1945: Der lange Weg aus dem Kalten Krieg
Das schuf keine Basis für Versöhnung und Verständigung: Deutschland konnte das „Diktat“ von Versailles nicht verwinden – was eine Ursache für den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Beginn des Zweiten Weltkriegs war. Nach 1945 banden die Siegermächte – USA, Frankreich, Großbritannien und die UdSSR – das geteilte Deutschland in ihre jeweiligen Machtblöcke ein. Erst 1991 schien der Zwei-plus-Vier-Vertrag den Weg für ein Europa ohne Mauer und Eisernen Vorhang freizumachen. Für einen Moment in der Weltgeschichte sah es aus, als hätten die Menschen aus eben dieser Geschichte gelernt …